Kommunalwahl Hessen 2021

In kaum einer Stadt/ Gemeinde sind alle der sechs im Bundestag vertretenen Parteien zur Stadtrats- bzw. Gemeinderatswahl angetreten. Im östlichen Hessen sind zumeist nur CDU und SPD angetreten. Das größte Parteienangebot bestand im Ballungsraum Frankfurt.
Auch in den Ergebnissen spiegelt sich dieses Parteien-angebot wieder: Während diese sechs Parteien im Frankfurter Ballungsraum flächendeckend mindestens 80 % der Wähler überzeugen konnten, waren es im restlichen Hessen zumeist unter 80%, in vielen Gemeinden sogar unter 50%, da hier häufiger lokale Wählervereinigungen zur Wahl standen und gewählt wurden.
Es kann gedeutet werden, dass Wähler im metropol-fernen ländlichen Raum ein höheres Interesse an einer pragmatischen Lokalpolitik haben als Wähler im metropolitanen Raum mit seiner fluktuierenden Bevölkerung und geringerer lokalkultureller Bindungskraft.

Bei der CDU entscheidet noch immer die Konfession über das Wahlergebnis. Die besten Ergebnisse hat die CDU in den traditionell katholischen Gebieten in Hessen: v.a. der Kreis Fulda, außerdem die anderen in der Karte genannten Regionen.
Aber auch bei anderen Parteien beeinflusst die vorherrschende Konfession die Wahlergebnisse: Die Karte der AfD-Ergebnisse oben zeigt in Osthessen einen deutlichen Bruch zwischen den katholischen und den evangelischen Gemeinden.

Betrachtet man die beiden Gegensätze des politischen Spektrums in Deutschland -- die Grünen und die AfD --, so zeigt sich, dass die die Milieus, die diese Parteien repräsentieren, sich nicht nur ideologisch und mentalitär voneinander entfernen, sondern auch räumlich. Gab es 2016 im Frankfurter Speckgürtel noch einige Städte und Gemeinden, in denen sowohl Grüne als auch AfD überdurchschnittlich hohe Ergebnisse erreichten, so hat sich deren Zahl 2021 deutlich verringert. Es ist ein deutlich ersichtlicher Bruch zwischen dem städtischen Raum der Grünen-Hochburgen und dem ländlichen Raum der AfD-Hochburgen entstanden und es gibt kaum noch Gemeinden, in denen beide Milieus stark vertreten sind. Die Konzentration der Grünen im Frankfurter Speckgürtel und entlang der Hessischen Städtekette ist geblieben, die AfD hingegen hat sich aus dem städtischen Raum deutlich zurückgezogen und zugleich im ländlichen Mittelhessen bis nach Nordhessen verhältnismäßig ausgebreitet. Es gilt zu beachten, dass sich die AfD-Ergebnisse beinahe halbiert haben, weswegen keine tatsächliche Ausbreitung stattgefunden hat, sondern nur eine relative Stabilisierung im ländlichen Raum bei einem deutlichen Rückzug aus dem metropolitanen Raum. Entscheidend ist die Erkenntnis, dass sich die Milieus auch räumlich ausdifferenzieren und sich dadurch ein neuer sozialer und ideologischer Konfliktraum manifestiert.

Bei der Kreistagswahl zeigt sich in den AfD-Ergebnissen ein deutliches Muster: Im Abstand von etwa 50 km um die Metropole Frankfurt/Main sind die Ergebnisse der AfD besonders hoch. Dieses Phänomen "Frankfurter Kranz" hat sich bereits bei der Bundestagswahl 2017 für alle vier Metropolen in Süddeutschland (Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg, München) gezeigt. Es ist daher als strukturell bedingt anzusehen. Es ist nicht der absolut periphere Raum, in dem die AfD ihre besten Ergebnisse hat, sondern ein Raum, in dem die Bevölkerung noch in Pendlerreichweite zur Metropole lebt, in dem auch Jugendliche noch Wochenendausflüge in die Metropole machen und die Bevölkerung somit in sporadischem oder regelmäßigem Kontakt zur Metropole steht und mit dem wirtschaftlichen und sozialen Zuständen dort vertraut ist.
Durchbrochen im geografischen Sinne wird der "Frankfurter Kranz" durch die "Hessische Städtekette", die von Kassel über Marburg, Gießen und Friedberg, weiter über Frankfurt nach Darmstadt reicht reicht. Die AfD hat strukturell bedingte Probleme in (groß)städtischen Milieus Fuß zu fassen -- und strebt dies vermutlich auch gar nicht an, da dieses Milieu ihr implizit als Feindbild zu scheinen dient. Vor allem die wachsenden und prosperierenden Universitätsstädte Marburg und Gießen durchbrechen deutlich den Frankfurter Kranz in Mittelhessen.